Kirchzarten bei Freiburg/AK. Fühlen Sie sich manchmal als „Fremdkörper“ in dieser Welt, wie von einem anderen Stern, anders als andere, als Außenseiter? Erleben Sie Ihre Umwelt intensiver? Dann gehören Sie wohl zu den etwa 15 bis 20 Prozent hochsensitiven Personen (HSP) der Bevölkerung, die anders fühlen und ihre Umgebung anders wahrnehmen als die anderen. Oftmals wissen diese Menschen selbst nichts davon. Sie merken nur, dass sie anders sind, fühlen sich daher oft unverstanden und werden häufig zum Einzelgänger und Außenseiter. Auch in der Berufs- und Arbeitswelt tun sie sich oft schwer. Den Begriff „Highly Sensitive Person“ (HSP) prägte aufgrund ihrer Untersuchungen 1996 die amerikanische Psychologin Dr. Elaine Aron. Im deutschen Sprachraum finden sich verschiedene Übersetzungen und Begriffe wie „Hochsensibilität“, „Hypersensibilität“, „Feinfühligkeit“, „Reizoffenheit“, „Hellfühligkeit“ und auch von „zart besaitet“ und „empfindsam“ wird gesprochen. Die Autorin und Sozialpsychologin Birgit Trappmann-Korr unterscheidet in ihrem nunmehr in der sechsten Auflage erschienenen Buch: „Hochsensitiv: Einfach anders und trotzdem ganz normal“ die beiden Begriffe „Hochsensitivität“ und „Hochsensibilität“. Ersterer sei korrekter und umschreibe genauer das theoretische Konzept von „high sensitivity“, das weit mehr beinhalte als „nur sensibel und empfindsam zu sein“, nämlich „eine menschliche Sensitivität für sensorische Verarbeitungsprozesse“. So ließe sich sensitive Wahrnehmung nicht immer über die klassischen Sinneswege erklären, denn zur Hochsensitivität zählten ebenso Phänomene wie „feinstoffliche Wahrnehmung oder Empfindung, Intuition, Empathie, die ‚Gabe des Gesichts‘ und Psi-Fähigkeiten“, meint die führende Expertin zur Hochsensitivität. Sie weist darauf hin, dass in der Literatur beide Begriffe „Hochsensitivität“ und „Hochsensibilität“ oft identisch verwendet werden. Ein hochsensitiver Mensch (HSM) sei immer sensibel (empfindsam, auch im negativen Sinn), jedoch ein hochsensibler Mensch sei nicht immer auch hochsensitiv, betont die Autorin. Sie gibt in ihrem Buch einen Überblick über Hochsensitivität, wobei ihr der schwierige Spagat zwischen Wissenschaft und Populärwissenschaft mit einer leicht verständlichen Sprache und vielen Alltagsbeispielen gut gelungen ist. Hilfreich sind ihre Tipps für Eltern mit hochsensitiven Kindern. Die brauchen „eine Erziehung voller Liebe, Kraft, Disziplin und Aufmerksamkeit – vor allem auch gewürzt mit einer guten Portion Humor“, betont die Autorin.
Leben mit Reizverstärker
Hochsensitive Menschen nehmen äußere Reize ihrer Umwelt, die gleichzeitig auf sie eindringen, wie durch einen Verstärker viel intensiver und detaillierter wahr: Stimmungen in einer geselligen Runde, Lärm, laute Musik, Straßenverkehr, grelles Licht, Stoffe auf der Haut … Ihr Nervensystem ist schnell überreizt. Mit dieser Reizflut umzugehen und Reize auszufiltern, fällt ihnen im Gegensatz zu anderen Menschen sehr schwer. Sowohl Positives – ein freundliches Wort oder eine Geste – als auch Negatives – Kritik oder Ablehnung – erleben sie wesentlich intensiver und brauchen länger, diese Eindrücke und Empfindungen für sich zu verarbeiten. Sie benötigen daher sehr viel Ruhe und ziehen sich oft zurück, was bei Beziehungen herausfordernd sein kann.
Hochsensitivität kann verschiedene Erscheinungsformen haben, die sich entsprechend der individuellen Ausprägung der Komponenten „Reizoffenheit“, „Sensibilität“ und „Intelligenz“ wie folgt äußern können:
• als sensitive Hochbegabung,
• als stark spirituelle Ausrichtung,
• als hoch ausgeprägte Empathie,
• als ADS (Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom), das oft als „stille Variante“ von ADHS (dem sogenannten „Zappelphilipp-Syndrom“) bezeichnet wird.
Birgit Trappmann-Korr beschreibt ausführlich die verschiedenen Aspekte von Hochsensitivität sowie deren Begleiterscheinungen, wie zum Beispiel Tic-Syndrom, Zwänge, Lese-Rechtschreib-Störung, Schlafstörungen bei ADHS/ADS, zeigt den jeweiligen Zusammenhang auf und grenzt sie gegeneinander ab, wobei die Grenzen oft fließend sind. Sehr ausführlich geht sie auf das Thema „empathische HSM“ ein, die sich unter anderem in andere Menschen hineindenken können und sich für deren Wohlergehen verantwortlich fühlen. Für diese Personengruppe hat sie das Projekt www.empathen.de entwickelt, das untersucht, wie empathische HSM in Unternehmen ihre empathischen Fähigkeiten gewinnbringend vor allem in der Beratung einbringen können. Mithilfe von Fragebögen für Kinder und Erwachsene können Sie herausfinden, ob Sie selbst betroffen sind und zu welchem Sensitivitätstypus Sie gehören.
Die Autorin erklärt anhand wissenschaftlicher Untersuchungen (werden in einem ausführlichen Literaturverzeichnis im Anhang angegeben), was hinter Hochsensitivität steckt, beleuchtet deren Geschichte und Hintergründe und gibt Tipps, wie Sie mit Ihrer Hochsensitivität umgehen können, um die vielen Erlebnisse und Eindrücke zu verarbeiten: zum Beispiel jeden Tag Zeit für sich persönlich zu nehmen, Spaziergänge an der frischen Luft, längere Auszeit, Entspannungsübungen, mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren, um reflektieren zu können, „Nein“ sagen zu lernen, sich auf das „Abenteuer Persönlichkeitsentwicklung“ zu begeben und Veränderungen im Leben zuzulassen … Gerade auch für männliche HSM hat die Autorin wichtige Hinweise anhand von Fallbeispielen parat. Das nach eigenen Angaben „umfassende Standardwerk zur Hochsensitivität“ gewährt allen Betroffenen wichtige Einsichten über sich selbst. Ferner hilft es Beratern, Therapeuten und allen, die mit hochsensitiven Menschen leben, diese besser zu verstehen und auf sie einzugehen. Wichtige Fachbegriffe werden in einem Glossar im Anhang erklärt.
Trappmann-Korr, Birgit: Hochsensitiv: Einfach anders und trotzdem ganz normal. Leben zwischen Hochbegabung und Reizüberflutung. 333 Seiten, Softcover, VAK Verlag, siebte, erweiterte Auflage, Kirchzarten bei Freiburg 2016. Preis: 18,95 € (D). ISBN: 978-3-86731-060-4. Infos: www.vakverlag.de
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